Nur Du kannst deine Grenzen setzen!

Erschöpfung, Kritik an der jungen Generation zum Arbeitsverhalten, Work-Life-Balance und alle damit aus dem Boden schießenden Coaches ob seriös oder nicht und das mittlerweile oft als Modewort beschimpfte Burnout… das etwas in unserer Arbeitswelt gewaltig aus den Fugen geraten ist, sollte kein Geheimnis mehr sein.

Lass mich dich auf meine Reise mitnehmen

Je mehr ich rückblickend darüber nachdenke, umso mehr bin ich sicher, dass ich nicht nur kurz davor sondern wirklich mitten drin im Burnout war. Burnout – was für ein tolles Wort für Erschöpfungsdepression. Klingt gleich nicht mehr so toll oder? Burnout klingt wie Ikarus – hoch zur Sonne geflogen und dann verbrannt. Kometenhafter Aufstieg. Die Konsequenz deines harten Tuns. Naja sagen wir mal so – Bullshit.

Es ist aus meiner Sicht einfach eine Verharmlosung eines sehr ernsten gesundheitlichen Zustands. Ein Zustand der eigentlich medizinisch behandelt gehört. Ich habe es damals nicht getan – mein Hausarzt hatte mich nicht ernst genommen, mal eben schnell psychotherapeuthische Hilfe auf eigene Faust zu finden auch nicht gerade einfach und mir fehlte die Kraft dafür, der eigene Stolz war da auch noch („Ich? Burnout? Never!“)

Und so redete ich mir ein: ich muss jetzt die Reißleine ziehen und mal Pause machen, bevor es gar nicht mehr geht. Immerhin war ich so weit, ich hätte auch warten können, dass ich umkippe.

Aber was war denn „gar nicht mehr“?

Ich hatte bereits in der Arbeit eine Panikattacke gehabt, konnte schlecht schlafen, meine Laune war völlig im Keller, es gab zu Hause viel Streit. Und ich war so unendlich müde… und zu stolz mir einzugestehen, dass ich ernsthaft Hilfe brauchte.

Denn es war nicht nur der Job: wir waren mitten im Corona-Lockdown, mein Mann als Selbstständiger von heute auf morgen ohne Beschäftigung & Perspektive und die Automobilindustrie in der ich arbeite, vor einer Transformation, mit deren Geschwindigkeit sie einfach nicht mithalten kann.

Also zurückblickend schon ein ganz schönes Brett oder? Gott sei dank bin ich ein sehr rationaler Mensch und so entschied ich mich in der Betriebsruhe über Weihnachten: es geht so nicht weiter, ich brauche eine Auszeit. Und meine erste Tat in der Rücksprache mit meinem Chef – ich nehme dieses Jahr ein Sabbatical!

Es dauerte dann tatsächlich nochmal ein halbes Jahr, bis ich mich tatsächlich dann auch in meinen Urlaub verabschiedete. Denn so kommunizierte ich es – ich habe ein paar Baustellen zu bearbeiten und dafür brauche ich Zeit. Guter Selbstbetrug oder?

Die Zeit war total wichtig, sie gab mir Kraft, ich schimpfte unendlich auf die Firma und meine Vorgesetzten, auf den fehlenden Weltfrieden, den Hunger in Afrika, die Ausdehnung des Universums usw. Kurz gesagt, ich war ein echter Miesepeter… Da hat sich wirklich was angestaut gehabt. Ich bin meinen Freundinnen immer noch sehr dankbar, dass sie mein Geschimpfe und schlechte Laune einfach ertragen haben.

Und tatsächlich ging es mir nach den 6 Monaten so gut, dass ich wieder Lust auf Arbeit hatte.

Klatsche die zweite…

Ich kam also zurück, machte irgendeinen Interims-Job weil eh klar war, dass ich bald intern wechseln würde (P.S.: den Job wollte keiner, merkst was?) und hielt die Ohren und Augen auf. Ich war schon lange Teil des unteren Managements nur komischerweise wurden immer alle anderen für Gruppenleiterstellen gefragt nur ich nicht… und so ging ich.

In die nächste Katastrophe: ein toxisches Arbeitsumfeld mit Führungskräften, die persönlich ihren vollgepackten Problem-Rucksack mit sich rumtragen und untereinander im Clinch lagen. Traumhaft oder? Persönlich waren es teilweise harte Wochen („was habe ich falsch gemacht, verdammte Axt?“) und ich musste echt viel Mind-Set Arbeit leisten um da durchzukommen aber was mir am Ende den Rest gegeben haben waren die Kollegen, die mich als Kummerkasten genutzt haben…

Und ich kann damit null umgehen. Laut Human Design habe ich ein komplett offenes Emotionszentrum: ich bin also ein Schwamm, der Emotionen seines Umfelds aufsaugt, verstärkt und keine Ahnung hat, wie man damit umgehen soll. Und genau das ist passiert, ich fühlte mich immer schlechter weil andere sich schlecht fühlen. Dabei mache ich einen super Job und bekomme auch gutes Feedback. Naja weitgehend. Toxisches Umfeld und so…

Stopp, jetzt komme ich!

Ich wollte wirklich Hals über Kopf kündigen und gehen… vielleicht in der aktuellen globalen Situation nicht die beste Idee wenn man so drüber nachdenkt. Ich war sehr wütend, weil man mir das Feedback gab ich solle doch aufpassen „Arroganz nicht mit Selbstbewusstsein“ zu verwechseln…

Ich, die jeden Job ohne Murren macht und den Kummerkasten für die anderen. Die hinter anderen aufräumt, ohne es an die große Glocke zu hängen. Und bäm – ich war wieder an dem Punkt wie damals.

Eine gute Bekannte gab mir noch den Impuls mit „bist du vielleicht auch sehr empfindlich“?

Und dann starb einer unserer Hunde, eines unserer Babies – nicht überraschend, sie hatte einen Tumor und wir versuchten ihr noch so schöne Jahre zu geben wie es nur geht. Sie entschied sich, dass wir sie gehen lassen müssen, wenn bei mir wieder die härteste Zeit des Jahres anbrach, wenn ich wieder diese total bescheuerte Unterlage für den Vorstand schreiben muss.

Und so saß ich verweint und ohne großes Make-Up, müde, still und leise in den Managementmeetings – und es passierte etwas, was in meiner Welt überhaupt nicht existiert hatte. Auf einmal wurde Rücksicht genommen, man nahm mich in den Arm, kein Wort mehr über meine vermeintliche Arroganz, ich bekam ungefragt Unterstützung. Denn ich hatte Schwäche gezeigt, gezeigt dass ich auch nur ein Mensch bin und trotzdem auch dass mir der Job nicht unwichtig ist…

Und in mir passierte etwas – ES WURDE MIR EGAL! Ich machte meinen Job so gut wie ich nur konnte, aber ich war nicht mehr Superwoman, die die Welt retten musste geschweige denn sich in eine „Karriere“ pressen lassen wird, ich sag nur hallo Frauenquote.

Die Charaktereigenschaft Superwoman oder Superman, ist in meiner Firma beim Scouting von Nachwuchskräften übrigens sehr beliebt… es gibt nur sehr wenige Mitarbeiter im Unternehmen und vor allem Führungskräfte, die nicht eine dieser drei Stärken aus dem Gallup Strength Finder in ihrem Profil haben: Leistungsorientierung, Pflichtbewusstsein, Höchstleistung. Die Kombi mehrerer davon ist übrigens ein super Garant, um sich selbst ins Burnout zu treiben da brauchst gar keine externe Hilfe mehr…

Und soll ich Euch was sagen? Mir geht es wieder besser, ich habe die Zeit völlig anders überstanden, ich grenze mich jetzt wieder viel besser ab und ich habe auch wieder Auftrieb etwas zu tun. Natürlich bekam ich in meinem Portfoliogespräch zu hören, dass man sich schon gefragt habe, warum ich nicht noch mehr tun würde, schließlich hätte ich es doch drauf.

Merkst was? Eine empathische Führungskraft hätte eher versucht mit dir dieses Feedback zu reflektieren anstatt dir als Verbesserungspotential aka Feedback mitzugeben. Was solls…

Ich hörte auf meinen Körper und merkte irgendwie stimmt was nicht – jetzt werde ich auf Bluthochdruck und beginnende Arteriosklerose behandelt, mache eine strenge Diät um zu sehen wie weit wir Blutwerte und Körper wieder ohne Medikamente normalisieren können. Denn ich hatte nur noch Kopfschmerzen und nein, es waren keine Verspannungen, kein Stress, keine Mirgräne wie ich immer dachte und auch keine Wetterfühligkeit wenngleich ich das von früher alles kannte. Ich litt unter akutem, wirklich bedenklichen Bluthochdruck und mein Körper sendete Signale!

Diese Strategien helfen mir:

Neben einer schulmedizinischen Begleitung bezüglich meiner kardiovaskulären Erkrankung geht es auch viel darum, dass es mir und meiner Gefühlswelt wieder besser geht:

  • „was ist wirklich wichtig, wenn du in 6 Monaten tot bist?“ – bisschen radikal ich weiß, aber es hilft. Denn bei so einer Frage sollte dir danach wirklich klar sein, wie und wofür du deine Energie einsetzt.
  • Nein zum Kummerkasten – ich ignoriere meine Kollegen nicht, so ist es nicht. Aber ich reduziere Mittagessentermine, Kaffeedates zum Abladen des emotionalen Ballasts oder After Work Einladungen. Sorry, als persönlicher Therapeut werde ich nicht bezahlt.
  • Ich bin da wenn man mich braucht und ansonsten auch gerne nicht – Homeoffice ist bei uns in der Firma ein riesen Streitthema (Stichwort Misstrauenskultur und Ausnutzung durch Einzelne…). D.h. ich komme zwar meinen Anwesenheitspflichten nach, verlagere mich aber auch einfach mal untertags ins Homeoffice wenn ich z.B. Ruhe zum Arbeiten brauche oder es im Büro mal wieder so warm ist dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann. Das ist halt mein Vorteil, weil ich nicht mehr stempeln muss oder Homeoffice ins System eintrage sondern auf Vertrauensarbeitszeit vertraglich vereinbart bin. Das Wort sollte ich auch mal verinnerlichen.
  • Selbstfürsorge, Selbstfürsorge, Selbstfürsorge – wahrscheinlich kann es schon niemand mehr hören aber es ist so. Wenn du es nicht machst, wer soll es dann tun? Das geht bei mir wirklich um so ganz banale Dinge wie eine gute Schlafroutine, gesundes Essen, genügend Pausen und meine Gesundheit. Übrigens ist das auch der Tipp schlecht hin, wenn man nach einem Burnout immer noch an einer maskierten Depression leidet. Diese zeigt sich durch extreme Morgenmüdigkeit und den Wunsch nach Ruhe, weniger durch Traurigkeit. Und was ist die größte Selbstfürsorge die es gibt? KOMMUNIZIERE DEINE GRENZEN!

Als Konsequenz habe ich mir dieses Jahr wieder zusätzlichen Urlaub gekauft und nehme im Sommer vier Wochen frei. Denn im Gegensatz zu meinen Kollegen, die jede Minute on top als Gleitzeit abbummeln habe ich eine Limitierung auf 4 Ausgleichstage zum Urlaub. Egal, wie viel ich arbeite. Und nein, so viel mehr verdiene ich auch nicht… aber darüber könnte ich einen eigenen Artikel schreiben. So nach dem Motto „was dir niemand sagt, wenn du in unserer Firma in den Bereich der Außertariflichen wechselst“. Selbstgewähltes Schicksal…

Und wie geht es jetzt weiter?

Nach einem Burnout zu glauben, dass man die alte Leistungsfähigkeit wieder erreicht, ist schlicht und einfach Selbstlüge. Und wenn es so ist wie bei mir, dass ein entscheidender Stressor nicht ausgetauscht wird (=die Arbeit), dann ist es besonders gefährlich wieder hinein zu laufen.

Also ist es wichtig, immer wieder zu reflektieren, wie es mir denn geht, wie ich Kraft tanken kann, wann ich Pausen brauche, was ich gerade brauche, was ich defintiv nicht mehr brauche und ganz wichtig: sprich darüber.

Sprich darüber ehrlich, mit deinen Kollegen und wenn möglich auch mit den Vorgesetzten, sofern es sie natürlich auch interessiert – dich findet danach jemand doof oder gar schwach? Kann dir doch egal sein, ist ja dann schließlich ihres oder sein Problem. Wenn du dich zu Tode arbeitest, dankt es dir schließlich auch keiner und die Firma verliert noch eine wertvolle Arbeitskraft.

Die viel gelobte Authentizität aus den Führungsratgebern sollten wir uns alle mal aneignen.

Mir ist mittlerweile klar, dass ich damals nicht deutlich kommuniziert habe. Zu kryptisch, zu sehr die Fassade aufrecht haltend. Natürlich habe ich immer wieder angedeutet dass es mir nicht gut geht, zu Hause Probleme sind und habe auch nicht nur in einem Telefonat mit meine Chef eine brüchige Stimme gehabt und darauf gewartet, dass sie es endlich merken – aber hey (not sorry Jungs) die hätten es mit der Brechhammer-Methode gebraucht: ICH KANN NICHT MEHR, ICH BRAUCHE HILFE SONST KIPP ICH UM.

Und es hätte genau eine Person gegeben, die das hätte tun können: ICH.

NEIN

Shakespeare, Hamlet, Akt 5, Szene 5, Vers 28

Hi, I’m Alex!

Mission: jeder kann organisiert sein!
Achtsamkeit und Entschleunigung im Alltag
——————————————-
(Überlebens-)Planer-Kolumne – get your shit together!

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert